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Durchhalten am langen Weg

Ja, jetzt wird es schön langsam zach. Kein Ende in Sicht, keine klare Perspektive wann es für wen wie weitergeht und in welche Richtung und ob überhaupt.

Als Führungskraft ist man gefordert wie nie. Je nach Branche und Aufgabengebiet mögen die Herausforderungen variieren, aber für mich kristallisieren sich nach einem Jahr Pandemie zwei Mitarbeitergruppen heraus, die ganz besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Die eine Gruppe sind MitarbeiterInnen, die seit einem Jahr mehr als zuvor und mittlerweile weit über ihre Belastungsgrenze hinaus arbeiten. Richtige Urlaube gab es schon lange nicht mehr, nach wie vor türmen sich Probleme vor ihnen auf. Strukturelle und systemische Schwachstellen in der Organisation, über die sie sich in den Jahren davor schlimmstenfalls geärgert haben, sind in den vergangenen Monaten virulent geworden. Fehlende Digitalisierung, ineffiziente Prozesse, unklare Aufgabenzuordnung, suboptimal genutzte Ressourcen – all das ist in den Unternehmen während der besonderen Arbeitsbedingungen wie permanentes HomeOffice mit der Wucht eines Tsunamis an die Oberfläche geschwappt. Mitten in der Krise hatte keiner die Zeit und die Ressourcen, die Systeme und Prozesse zu optimieren und hat gehofft, man könne sich irgendwie durchwurschteln. Doch spätestens jetzt brennt der Hut.

Die andere Gruppe besteht aus Mitarbeiterinnen, die seit einem Jahr mehr oder weniger durchgehend in Kurzarbeit sind. Dank der Pandemie ist die Kurzarbeit zu so etwas wie einem Dauerprovisorium verkommen. Es wird viele Menschen geben, die sich bei einer Rückkehr zu einem normalen Arbeitsalltag an anstrengende Arbeitstage gewöhnen müssen, manche wird man neu „onboarden“ müssen. Andere sind hungrig, endlich wieder ihre Tage mit Sinn zu füllen, fragen sich, ob der alte Job noch zu ihnen passt. Sie nutzen die Zeit für eine Neuorientierung, verlassen trotz der Kurzarbeitsunterstützung das Unternehmen und brechen damit aus ihren angestammten Teams und oft aus der Branche weg.

Führen – aber wohin?

In beiden Fällen liegt es – wie immer – an der Führungskraft, die Rahmenbedingungen so zu organisieren, dass die MitarbeiterInnen eine Chance haben, ihre Arbeit kurzfristig und in nächster Zeit bestmöglich machen zu können. Sie selbst zählen aber vielleicht auch zu einer der oben genannten Gruppen. Auch die routiniertesten Führungskräfte haben es in der aktuellen Situation schwer, ihren MitarbeiterInnen motivierende Perspektiven und klare Pläne, bessere Ressourcen und Entlastung zu bieten. Doch das darf keinesfalls als Ausrede dafür gelten, sich nicht mit seinen MitarbeiterInnen und deren Aufgaben zu beschäftigen – nur weil man nicht weiß, was man ihnen sagen soll. Nachdenken, welche kleinen Maßnahmen man umsetzen kann, um die Arbeit effizienter und leichter zu machen – funktioniert immer. Zuhören, engen Kontakt halten, als Mensch Orientierung und Halt geben – funktioniert immer. Priorisieren, ordnen, Entscheidungen treffen – funktioniert immer. Was nicht funktioniert: stehen bleiben, abwarten und auf ein Wunder hoffen. Und es ist gerade jetzt hilfreich, externe Unterstützung zu holen. Um fehlende Ressourcen vorübergehend auszugleichen, um notwendige Prozessverbesserungen endlich umzusetzen, um sich selbst persönlich mit einem Coach auszutauschen.

Je weiter der Weg, desto kleinere Schritte braucht es, um kontinuierlich nach vorwärts zu kommen. Ohne am Weg die Kraft zu verlieren.