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Jeder hat seine Komfortzone

Wie schaffen Sie es, dass Sie immer so gelassen wirken? werde ich oft gefragt. „Wie können Sie so ruhig bleiben, wenn es rundherum so hektisch ist?“ In meinem Beruf werde ich  ruhiger, je stressiger es wird und je unklarer die nächsten Schritte vor mir liegen. Das reizt mich, etwas anzupacken, wo ich selbst noch nicht so recht weiß, ob und wie das funktionieren könnte. Einen strukturierten Plan zu machen, in kleinen Schritten zu denken, das Team auf das Ziel hinzuführen, den Mitarbeitern dafür den Rücken zu stärken.

Gerade im Interimsmanagement bin ich ständig in Situationen, wo ich mit Themen und Problemen konfrontiert werde, bevor ich noch die handelnden Personen kenne. Spätestens am zweiten Tag meiner Einsätze flattern Unterlagen auf meinen Schreibtisch, wo Entscheidungen zu treffen und eine Vorgangsweise zu definieren sind. Alles, was sich über die Zeit im Personalmanagement an offenen Baustellen angesammelt hat und dringend bearbeitet werden soll, stapelt sich binnen weniger Stunden vor mir auf: Akute arbeitsrechtliche Fälle, Konzepte in der Personalentwicklung, Überarbeitung von Verträgen, Implementierung klarer Prozesse, Verhandlungen mit Betriebsräten, Einführung einer HR-Software, Erstellung einer Personalplanung.

Meine Einsätze dauern wenige Monate und starten meist äußerst kurzfristig. Da gibt es kein Onboarding, keine Einarbeitungszeit, keine Schonfrist. Und genau deshalb liebe ich diesen Job. Ich kann all meine Erfahrung, mein Knowhow, meine Stärken einsetzen. Von der ersten Minute, vom ersten Gespräch an. Ich genieße es, wenn sich die Stirnfalten meiner Auftraggeber glätten, sobald sie das Gefühl haben, endlich jemanden in der Personalleitung zu haben, der den vielfältigen Herausforderungen dieser Rolle gewachsen ist.

Die eigene Komfortzone gut kennen

Aber das gelingt nicht deshalb, weil ich Miss Superwoman bin. Auch in meinem Leben gibt es Situationen, wo ich die Nerven wegschmeiße. Das sind Situationen, wo sich viele denken – „was ist daran jetzt so schwierig?“

Zum Beispiel wenn ich auf der obersten Sprosse einer Haushaltsleiter stehe und meine Höhenangst mich packt, als stünde ich an der Kante einer 1000m hohen Steilwand im Hochgebirge. Oder wenn ich einen Knopf annähen muss oder eine Zwiebel regelmäßig kleinwürfelig schneiden soll. Bei all diesen Dingen bin ich hoffnungslos überfordert. Und genau deshalb bin ich keine Bergführerin, keine Schneiderin, keine Köchin.

Wirkliche Gelassenheit gelingt einem, wenn man authentisch bleiben kann. Und authentisch ist man, wenn man sehr gut weiß was man kann und was man nicht kann. Und sich für die Aufgaben, die man selbst nicht abdecken kann oder will, die Leute ins Team holt, die es besser können. Damit diese in ihren Aufgaben wiederum authentisch und gelassen agieren können. Um nicht mehr und nicht weniger geht es in der Führung von Menschen – und in der Führung von sich selbst.

Foto: Birgit Walk